Lieblingsbuch: The Great Nowitzki
Der Weg des geringsten Widerstands führt auf Holzwege.
Basketball is Jazz
Dieses Buch habe ich im Sommer 2025 zum zweiten Mal gelesen – diesmal als E-Book direkt auf dem iPhone. Den ersten Durchlauf hatte ich vor einigen Jahren als Hörbuch. Schon die Tatsache, dass ich mir diesen Wälzer ein zweites Mal komplett reingezogen habe, zeigt, dass es zu meinen Lieblingsbüchern gehört.
Es handelt sich nicht um eine klassische Biografie, sondern um eine nahbare und multidimensionale Betrachtung eines Ausnahmesportlers.
Thomas Pletzinger begleitete Dirk Nowitzki über mehrere Jahre hinweg – teils als Journalist, teils als Fan – und erhielt außergewöhnlich tiefen Einblick in dessen Leben und Karriere. Der Autor verbindet sportjournalistische Fakten mit literarischer Ästhetik. Der Stil wirkt oft filmisch und atmosphärisch dicht. Besonders eindrucksvoll sind die emotionalen Momente, etwa Nowitzkis bewegender Abschied im American Airlines Center, als die Arena still wurde und selbst das Publikum stumm vor Rührung blieb.
Der Leser erlebt prägende Momente wie die NBA-Meisterschaft der Mavericks 2011, das Erreichen von 30.000 Punkten oder Nowitzkis letzte Spiele in der NBA.
Noch eindrücklicher finde ich jedoch die Darstellung der Entwicklung dieses Ausnahmeathleten: sein Weg von der Kindheit in Würzburg über die deutsche Basketballszene bis hin zur Profikarriere in den USA. Die Biografie ist reich an Anekdoten und menschlicher Tiefe: Freundschaften, Humor, Rückschläge. Der Autor zeigt auch die Facetten abseits des Spielfelds.
Der Mentor - Die prägende Rolle von Holger Geschwindner (Hodge / Hotsch)
Holger Geschwindner nimmt im Buch eine zentrale Rolle ein – fast so wichtig wie Nowitzki selbst. Ehrlich gesagt, hätte ich gerne eine eigene Biografie über ihn gelesen. Seine Vita und Prinzipien beeindrucken mich. Er hat sein ganzes Leben so gelebt, wie es sich unzählige Internet-Coaches in bunten Farben und Fantasien ausmalen, wenn sie ihre sündhaft teuren Kurse verkaufen.
Bereits 1945 geboren, sind seine Ansichten erstaunlich modern. Fehler werden genutzt, um daraus zu lernen oder gar etwas Neues zu kreieren (vgl. Basketball und Jazz im Buch). In herkömmlichen „Auswahlmannschaften“ dagegen werden Fehler oft noch mit Liegestützen bestraft.
Geschwindner jedoch kombiniert Disziplin mit Freiheit und Spaß. Er ist ein Mann des Lesens und Schreibens, betrachtet Kunst und Musik als lebensnotwendig und prägte den Begriff „Institut für angewandten Unfug“ – Sinnbild seiner unorthodoxen, experimentellen Haltung.
Bemerkenswert finde ich, dass „Hotsch“ Nowitzki mehrfach pro Woche ohne Vergütung als persönlicher Trainer zur Verfügung stand. Er war kein klassischer Coach, sondern eher ein „Basketball-Philosoph“. Für ihn war Talent nur ein Teil – entscheidend sei, denken und fühlen zu lernen, den Sport als Ganzes zu begreifen.
Statt nur Würfe trainieren zu lassen, ließ er Nowitzki Geige spielen, Gedichte lesen, Jazz hören und Mathematikaufgaben lösen. Ziel war es, Kreativität, Rhythmus und geistige Flexibilität in sein Spiel einfließen zu lassen. Geschwindner feilte obsessiv an Nowitzkis legendärem Einbein-Fadeaway (später dessen Markenzeichen).
Ohne Geschwindners eigenwilligen Mix aus Wissenschaft, Kunst und Sport wäre Nowitzkis Karriere in dieser Form kaum denkbar gewesen.
Bonus: Nowitzki - Die Geschichte von Holger Geschwindner
Dieses unkonventionelle Werk bietet sich als Nachfolgelektüre zu The Great Nowitzki an. Wer den „Wälzer“ zuvor gelesen hat, versteht die Inhalte des schmaleren Bandes deutlich besser. Es ist ein Puzzle aus Philosophie, Pädagogik, Sportpraxis und Kreativität, das mehr als nur Spielfähigkeiten beleuchtet, denn es zeigt die Entstehung einer außergewöhnlichen Persönlichkeit.
Stil
Der Stil ist einzigartig: eine Mischung aus Anekdoten, Trainingstipps, philosophischen Einsprengseln, Jazz-Referenzen, Literaturhinweisen (von Lucky-Luke-Comics bis zu kirgisischen Liebesromanen) und Lebensweisheiten wie:
Die Natur traut dem, der nicht kann. Und nicht dem, der nicht will.
Geschwindner erzählt sein Werk nicht als lineare Biografie, sondern in 84 sogenannten „Brocken“ – kurze, unsystematische Episoden, die weder chronologisch noch thematisch streng geordnet sind.
Fazit
The Great Nowitzki ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher im Bereich Biografie. Jeder Heranwachsende sollte es einmal gelesen haben, für Pädagogende ist es Pflichtlektüre, denn genau so stelle ich mir einen Lehrer vor. Ich wünschte, ich hätte so ein Buch in meiner Jugend gehabt.
Das Buch ist zudem interessant für Menschen, die sich allgemein mit den Themen Mindset und persönliche Entwicklung beschäftigen. Ich spiele übrigens kein Basketball und genau darum geht es: Das Buch wirkt weit über den Sport hinaus.
Gut möglich, dass ich mir neben Audio- und E-Book auch noch das Hardcover besorge.
Meta
- Wertung: 5 von 5 Sternen
- Gelesen: Mehrfach, zuletzt August/September 2025
- Originalausgabe: 2019, Kiepenheuer & Witsch GmbH
- Soundtrack: The Shins, House of Pain - Jump around, Green Day - Good Riddance
- Behalten: Klar!