Die Geschichte »Ein bisschen Spaß muss sein« von Laurentius Fisch.
Unauffällig stehe ich hinter dem Fenster und beobachte das Treiben beim geschätzten Nachbarn. Menschen schleppen Kisten aus dem Haus. Geschwind schalte ich den Ton an, indem ich das Fenster auf Kipp stelle. Undine ist plötzlich da. Statt mich für meine Neugierde zu rügen, verfolgt sie mit mir den ungewohnten Aktionismus. Wir tauschen die Plätze, Undine hat das bessere Gehör von uns beiden.
Wir versuchen angestrengt, von den Kistenschleppern hinter dem Zaun einige Wortfetzen aufzuschnappen. Natürlich nur, um notfalls sofort die Polizei zu verständigen, sollte es sich um eine dreiste Diebesbande handeln. Gegen unsere Einbruchstheorie spricht, dass Nachbar Jockel den Umtrieb mit verkniffenem Gesichtsausdruck beobachtet.
Während ich, elegant wie ein heranschleichender Leopard, hinter dem Vorhang bleibe, beschließt Undine, ausgerechnet jetzt die Pflanzen im Garten zu bewässern. Obwohl ich extra früh aufgestanden bin, um das Grünzeug mit dem Gartenschlauch vor dem Verdursten zu retten. Danach hat es fast ununterbrochen geregnet, falls dies für eine Einschätzung relevant sein sollte. Man könnte es als ausgleichende Gerechtigkeit betrachten, dass Undine jetzt fluchend und zappelnd auf dem Rasen neben der umgefallenen Gießkanne liegt. Ich sage nur: abschüssiges Gelände, weicher Boden, Gummistiefel. Ich ziehe mich vom Fenster zurück, um nicht in Gelächter auszubrechen. Andernfalls ist mit unvorhersehbaren Folgen für meine Gesundheit zu rechnen.
Trotz meiner tauben Ohren schnappe ich einige Gesprächsfetzen auf: »… Unglaublich …, dreist …«, »… Wachhund von der Steuer absetzen …«, »… Umsatzsteuer für gefälschte Rechnung kassieren …«, »… Die Spitze des Eisbergs …«, »… Das schlägt dem Fass den Boden aus …«.
Für mich klingt das nicht gut, in meinem Magen breitet sich ein ungutes Gefühl aus. Einen Moment sinniere ich über das Gehörte nach: ›Wachhund‹, ›Steuer absetzen‹ …?
Ich vergesse die Deckung und verlasse meinen Posten. Als ich ungeschützt vor dem Wohnzimmerfenster stehe, funkeln mich zwei böse Augen an. Drohend richtet Jockel einen Finger auf mich. Seine Worte sind deutlicher zu verstehen, als mir lieb ist: »Warte, bis ich dich in die Finger kriege! Ich werde nicht der Einzige bleiben, der von der Steuerfahndung gefilzt wird. Bald bist du dran, Arschloch!«
Das Grummeln in meiner Körpermitte breitet sich aus. Undine hat Jockels Ausbruch mitbekommen. Sie gießt Pflanzen, die im Wasser stehen. Als empathischer Mensch nehme ich den fragenden Blick in ihrem Gesicht wahr. Meine Gedanken kreisen fieberhaft. Könnte es sein, dass der Knochenkopf von der dunklen Seite meine ›Sonderrechnung‹ eingereicht hat?
Ich versuche, mich mit meiner mir eigenen katzenhaften Leichtigkeit aus dem Blickfeld des Wüterichs zu lösen, stoße dabei jedoch mit Undine zusammen. Erst jetzt bemerke ich, dass sie hinter mir steht. Die mitgebrachte Gießkanne erzeugt feine Wassertröpfchen auf dem Holzboden, eigentlich eine Todsünde. Wäre mir das passiert, wäre ich direkt durch tausend Fegefeuer nach dem imaginären Regelbuch meiner Frau geschickt worden.
»Das ist die Steuerfahndung. Die schaffen Papierkram und den Computer raus. Ich verstehe nicht, warum Jockel so sauer auf dich ist.«
Und ich wiederum verstehe nicht, mit welcher Gleichgültigkeit sie solche Sätze in den Raum wirft. Mein Magen gluckert.
»Vielleicht wegen Wolf-Rüdiger.«
Auf die Schnelle bringe ich nur ein bruchstückhaftes Satzkonstrukt zustande, das meine Liebste garantiert nicht zufriedenstellen wird. Und es kommt noch schlimmer: Undine lacht laut. Es ist mir unbegreiflich, wie man in solch einer Lage derart fröhlich sein kann.
»Was hat unser Hund mit einer Steuerprüfung zu tun? Das ist selbst für dich zu absurd!«
»Ich fürchte, es ist gar nicht abwegig. Erinnerst du dich an die Sache mit Wolf-Rüdiger und dem Job als Wachhund? Weil Wolf-Rüdiger alles als sein Revier betrachtet, auch hinter dem Zaun? Ich habe überlegt, ob es sinnvoll wäre, Jockel die Wachdienste von Wolf-Rüdiger zu verrechnen, da er auch alle Besucher drüben anbellt. Es ist schließlich nicht Wollos Schuld, dass er nicht in der Lage ist, zwischen Besuchern und Einbrechern zu unterscheiden. Folgerichtig habe ich Jockel aus Jux und Tollerei eine Rechnung über 17.500 Euro für die Wachdienste von ›Wolf-Rüdiger Bellmann‹ in den Briefkasten geworfen. Ich habe sogar berücksichtigt, dass unser Hund regelmäßig den Bewegungsmelder drüben auslöst und das Nachbargrundstück in gleißendes Licht taucht. Aus reiner Gutmütigkeit habe ich deswegen einen Teil für Strom abgezogen. Vielleicht hat der Idiot meine ›Rechnung‹ in den Müllsack mit seinen Steuerbelegen geschmissen? Das macht er, weil er überzeugt ist, dass die Steuerberaterin die Papierschnitzel für ihr Geld selbst zusammensuchen muss. Wenn er die Rechnung wirklich eingereicht hat, ist das richtig beschissen. Da es sich um eine Spaßrechnung handelte, die ich nach dem sechsten Bier am Computer zusammengebastelt habe, könnte es ein weiteres Problemchen geben.«
»Sag mir endlich, was du noch gemacht hast!«
„Nun, da es keine echte Rechnung war, habe ich noch einen klitzekleinen Hinweis hinzugefügt.“
»RAUS DAMIT!«, schimpft Undine empört.
Ich flüstere: »Irgendwas in der Art: mit freundlichen Grüßen an die Dumpfbacken vom Finanzamt. Und lasst diesmal den Büroschlaf ausfallen und bearbeitet die Rückzahlung ausnahmsweise zügig.«
Undine fällt die Gießkanne aus der Hand, auf dem Holzboden bildet sich ein dunkler Fleck.
Das schrille Klingeln unterbricht die Schockstarre. Wolf-Rüdiger ist wie immer der Erste, aber als Türöffner taugt er mangels Daumen immer noch nicht. Nach einem erneuten Klingeln öffne ich die Tür wie in Trance. Ich sehe einen grimmigen Mann im Anzug mit Bürstenschnitt, er hält mir einen Ausweis unter die Nase.
»Heinz Kasuhnke, Abteilung Steuerfahndung beim Finanzamt Schnorchelbroich. Wir haben einen Hinweis auf finanztechnische Unregelmäßigkeiten in Ihrem Hause erhalten. Wir sind verpflichtet, diesen Verdachtsmomenten nachzugehen. Leider dürfen wir Ihnen nicht sagen, wer der Hinweisgeber war. Ist dies der Firmensitz von Bellmann Security? Ich würde gern mit Herrn Bellmann persönlich sprechen.«
Ich stehe mit offenem Mund im Türrahmen. Wolf-Rüdiger hat sich unter den Beistelltisch zurückgezogen, ohne den Besucher begrüßen zu wollen. Das ist ungewöhnlich, denn erst am Abend zuvor hatte er sich unter diesem Tisch eingeklemmt und musste von der restlichen Familie befreit werden.
Ich höre das schmutzige Lachen von der dunklen Seite.
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